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Petra Rautiainen : Land aus Schnee und Asche

Buchbesprechung von Frank Rehag, Januar 2022

dt. Erstausgabe: 2021 - Insel Verlag, Berlin
finn. Originalausgabe: 2020 - Otava, Helsinki
Titel der finnischsprachigen Originalausgabe: "Tuhkaan piirretty maa"
aus dem Finnischen von Tanja Küddelsmann
Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges bezieht die Journalistin und Fotografin Inkeri Lindqvist ein Haus im lappländischen Enontekiö. Nachdem die deutschen Truppen gegen Kriegsende auf ihrem zerstörerischen Rückzug Lappland als verbrannte Erde hinterlassen haben, soll Inkeri den Wiederaufbau des verwüsteten Landes dokumentieren und Zeitungsartikel über die Situation im nordwestlichen Zipfel Finnlands schreiben. Allerdings lässt sie sich auch aus einem persönlichen Grund in Lappland nieder: Inkeri möchte Nachforschungen über ihren verschollenen Ehemann Kaarlo anstellen, der zuletzt in einem deutschen Gefangenenlager in Inari gewesen sein soll und dessen Spuren sich seitdem verlieren. Zwischen samischer Tradition und dem Fortschritt der technischen Zivilisation steckend begegnen die Bewohner der Fremden aus dem Süden mit Argwohn, vor allem der Same Piera und seine junge Enkelin Bigga-Marja, aber auch Inkeris Untermieter Olavi Heiskanen, der zwar ebenfalls aus dem Süden stammt, durch die Kriegswirren allerdings im Norden hängen geblieben und am Wiederaufbau beteiligt ist. – Drei Jahre zuvor: der Militärbeamte Väinö Remes wird als Dolmetscher zu einem Gefangenenlager nach Lappland beordert. Er vertritt die Ansichten der nationalistischen Akademischen Karelien-Gesellschaft und deren Ziele von einem Großfinnland. Er führt Tagebuch über die Ereignisse im Lager und trifft dort unter anderem auf Olavi Heiskanen und Kaarlo "Kalle" Lindqvist...
Petra Rautiainen hat für ihren Debütroman Land aus Schnee und Asche Themen gewählt, die bislang belletristisch nicht sehr viel Beachtung fanden und gerne totgeschwiegen werden: die Nazi-Gefangenenlager in Lappland, von denen es mehr als 200 gegeben haben soll, und der Umgang mit der samischen Bevölkerung. Eingebettet in historische Hintergründe hat sie die Geschichte um die Journalistin Inkeri eingeflochten. Abwechselnd zwischen zwei Zeitebenen werden die Ereignisse während des Krieges und der Nachkriegszeit erzählt. Die erste Zeitebene behandelt den Zeitraum von Februar bis September 1944 in einem Gefangenenlager in Inari, der Hauptprotagonist Väinö Remes beschreibt die Geschehnisse in Tagebuchform. Die Tagebucheinträge sind Zeugnisse des unmenschlichen Handelns der Nazideutschen und der kollaborierenden Finnen, schonungslos und nüchtern niedergeschrieben. Doch gerade dieser Stil gibt die Brutalität des Krieges eindringlich wieder, wenn die Schicksale der Gefangenen, der Rassenwahn und der Tod alltägliche Normalität werden. In der zweiten Zeitebene wird aus der personalen Erzählperspektive über die Ereignisse im Zeitraum 1947 bis 1950 in Enontekiö erzählt, Inkeri Lindqvist ist hier die Hauptprotagonistin. Es ist die Zeit des Wiederaufbaus. Entsprechend der Hoffnung auf bessere Zeiten beschreibt Rautiainen in teils lyrischer Sprache, wie sich die Natur ihren Platz in dem zu Asche gewordenen Land zurückholt, wie Jahreszeiten und Licht das Leben im Norden beeinflussen. Diesen wunderschönen Beschreibungen gegenüber stehen jene über den Existenzkampf der Samen, für die auch nach dem Krieg die rassistische Unterdrückung nicht aufhört. Kinder werden von ihren Familien getrennt und in Internate geschickt, in denen sie ihre Wurzeln und Traditionen vergessen und an die finnische Kultur angepasst werden sollen. Vergessen wollten nach Kriegsende auch die Finnen, die sich des Umgangs gegenüber den Samen und den Rassenstudien an Gefangenen in den Lagern bewusst waren, diese Angelegenheiten aber lieber verschwiegen. Petra Rautiainen hat ein beeindruckendes und wertvolles literarisches Werk geschaffen, mit dem sie den Sámi im Norden Europas eine Stimme gibt, ähnlich wie es Katja Kettu für die indigene Bevölkerung Nordamerikas mit Die Unbezwingbare getan hat. Denn auch in der heutigen Zeit müssen die Sámi noch um ihre Rechte kämpfen. Man kann sich nur wünschen, dass in dieser Welt Menschlichkeit und Solidarität endlich siegen über rassistische Ideologien und Hass. Dieses Buch kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten. Wenn man die hier niedergeschriebenen Wertewelten liest und vergleicht, kann das Ergebnis nur eindeutig ausfallen.

Hinweis und Hintergrundinformation: Das Buch endet mit "Der Krieg ist aus", datiert auf September 1944. Hiermit ist das Ende des Fortsetzungskrieges zwischen Finnland und der Sowjetunion gemeint, der mit dem Waffenstillstand von Moskau besiegelt wurde. Vertragsbestandteil war die Verpflichtung Finnlands, die in Finnland stationierten deutschen Truppen anzugreifen, mit denen man bis dahin ein formales Militärbündnis eingegangen war. Das führte schließlich zum Lapplandkrieg, der von September 1944 bis April 1945 andauerte. Die deutschen Truppen traten den Rückzug an und hinterließen das Land als verbrannte Erde, indem sie ganze Dörfer, Straßen und Brücken zerstörten oder verminten.
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