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Leena Parkkinen : Die alte Dame, die ihren Hut nahm und untertauchte

Buchbesprechung von Birgit Arnold, November 2014

dt. Erstausgabe: 2014 - Limes Verlag in der Verlagsgruppe Random House, München
finn. Originalausgabe: 2013 - Teos, Helsinki
Titel der finnischsprachigen Originalausgabe: "Galtbystä länteen"
aus dem Finnischen von Peter Uhlmann
Irgendwo im Südwesten Finnlands: Die dreiundachtzigjährige Karen fährt mit ihrem hellblauen Plymouth Fury, Baujahr 1956, durch die Nacht und wird an einer Tankstelle in einen Überfall verwickelt. Allerdings hat das Gaunerpärchen - Tomppa und die hochschwangere 17-Jährige Azar - nicht mit der Gegenwehr der alten Dame gerechnet. Karen zwingt das Mädchen mit vorgehaltenem Revolver, mit ihr zu kommen, tritt aufs Gaspedal und fährt los, bevor die Polizei eintrifft. Sie hat eine wichtige Angelegenheit zu erledigen und da kommt dieser Raubüberfall zum ungünstigsten Zeitpunkt, aber Azar könnte ihr noch nützlich werden. Beide haben sich zunächst nichts zu sagen, zu groß sind die gewaltige Altersdifferenz und ihre unterschiedlichen familiären Wurzeln. Dennoch gibt es eine Parallele: beide trauern der Vergangenheit nach und jeder ist auf seine Weise heimatlos. Karens Ziel ist die kleine Schäreninsel Fetknoppen, westlich von Korpo. Dort änderte vor 65 Jahren ein schlimmes Ereignis ihr Leben, als ihre Freundin Kersti ermordet wurde. Kersti war schwanger gewesen und Karens Bruder Sebastian wurde des Mordes verdächtigt, schließlich wussten alle auf der Insel, dass er mit dem Mädchen zusammen war. Noch vor dem Prozess beging der Bruder im Gefängnis Selbstmord. Verzweiflungstat oder Schuldeingeständnis? Karen war als einzige von seiner Unschuld überzeugt. Auf Fetknoppen konnte sie nicht länger bleiben, zu viel erinnerte sie an den geliebten Bruder. Auch das Verhältnis zum Vater war gestört. Dieser trank seit dem frühen Tod der Mutter und flüchtete sich in seine eigene Welt. Es vergingen die Jahre, in der Karen mehrmals heiratete und Mutter eines Sohnes wurde, doch nie richtig glücklich. - Azars Familie stammt aus dem Iran und lebt in Tampere, ihre Eltern sind geschieden. Die Mutter verließ die Familie und zog mit dem damaligen Chef des Vaters zurück in den Iran. Auch ihr Vater ist wieder verheiratet. Seine Frau Riitta ist allerdings wenig an der iranischen Kultur und schon gar nicht an Azar interessiert. Als sich Azar in Mehran, einen illegal in Finnland lebenden iranischen Flüchtling verliebt, glaubt sie in ihm die große Liebe gefunden haben. Als sie von ihm schwanger ist, erkennt sie, dass er sie mit ihrer besten Freundin betrügt und in einem Akt der Verzweiflung trifft sie eine folgenschwere Entscheidung... Auf der einsamen Insel möchte Karen mithilfe ihrer jungen Begleiterin das damals geschehene Verbrechen aufklären und die beiden ungleichen Frauen tauchen tief in die Familiengeschichte ein. Aus vergilbten Dokumenten geht hervor, dass Sebastian als Kind an Mumps erkrankt und dadurch zeugungsunfähig war. Er konnte also nicht der Vater von Kerstis ungeborenem Kind sein. Karens Bruder lebte in einer geheim gehaltenen homosexuellen Beziehung, was zur damaligen Zeit strafbar war und nicht ans Tageslicht gelangen durfte. Allmählich nimmt die Wahrheit Kontur an, doch lässt sich das Rätsel nach all den Jahren wirklich lösen, damit Karen endlich ihren Frieden finden kann?
Leena Parkkinen hat mit diesem Roman eine wunderschöne Geschichte geschaffen. Man erfährt vom Leben im Nachkriegsfinnland, von verlogener Moral und über das Leben der Inselbewohner, wo jeder scheinbar alles über den anderen zu wissen glaubt und Anderssein als Provokation gegen die vorgeblich heile Inselwelt aufgefasst wird. Das Ende ist verblüffend und berührend und der Beweis, wozu wahre Freundschaft imstande sein kann.
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