A. M. Ollikainen : Team Helsinki - Grausames Spiel
('Team Helsinki'-Reihe, Bd. 2)
Buchbesprechung von Frank Rehag, Juli 2023
dt. Erstausgabe: 2023 - Bastei Lübbe, Köln
finn. Originalausgabe: 2022 - Otava Publishers, Helsinki
Titel der finnischsprachigen Originalausgabe: "Kiikku"
aus dem Finnischen von Gabriele Schrey-Vasara
Neuer Fall für das Team Helsinki. Ein obskurer Leichenfund in einem Wald beschäftigt das Ermittlerteam um Kriminalkommissarin Paula Pihlaja. Die 80-jährige Kaarina Alanne wird an einem Baum erhängt aufgefunden. Jedoch wirkt der Boden unterhalb der Leiche unberührt und in der Nähe ist nichts zu sehen, worauf die alte und todkranke Frau zur Befestigung des Seils hätte steigen können, lediglich ein kleiner Haufen Fugensand liegt wenige Meter vom Baum entfernt. Mit einem identischen Seil stranguliert an einer Eiche hängend wird kurze Zeit später der berühmte und erfolgreiche finnische Bergsteiger Otto Paljakka auf einem Spielplatz gefunden. Auch hier liegt Fugensand in unmittelbarer Nähe und es zeigt sich allmählich, wie perfide sowohl Alanne als auch Paljakka ums Leben gekommen sein können. Die Opfer standen mit einem Seil um den Hals gelegt auf dem erhöhten Ende einer Wippenkonstruktion, während sich am anderen Ende langsam ein Sandsack entleerte. Und das grausame Spiel ist noch lange nicht vorbei…
Doch wo liegt das Motiv und was verbindet die beiden Toten? Kaarina Alanne lebte einsam und zurückgezogen ohne Angehörige. Otto Paljakka hatte ebenfalls nicht viele Bekanntschaften: Nico Saarela, sein Manager; Jonna Salomaa, seine Medienbeauftragte; Samuli Suominen, sein Vertrauensmann; Topi Holopainen, der Ghostwriter seines kürzlich erschienenen Buches. Paljakka, Salomaa und Suominen kennen sich allerdings seit Kindheitstagen. Eine Kindheit, in der Otto Paljakka früh den Vater verlor und als Achtjähriger zur Vollwaise wurde, als sich seine Mutter das Leben nahm. Otto hatte danach bei verschiedenen Pflegefamilien und im Jugendheim gewohnt. Seine zuständige Sozialarbeiterin seinerzeit: Kaarina Alanne. Vieles scheint mit der Vergangenheit zu tun zu haben, wenn in Rückblenden von Kindern erzählt wird, die zwar nicht benannt werden, bei denen sich der Leser aber denken kann, um wen es sich handelt. Und als ob die Lösung des Falles nicht schon Energie genug kostet, plagen Paula zusätzlich gesundheitliche Probleme, die sie ihre Polizeikarriere kosten könnten, und auch ihrer Vergangenheit muss sie sich stellen…
Hinter dem Pseudonym A. M. Ollikainen steckt das renommierte Autorenehepaar Aki und Milla Ollikainen, die beide für sich genommen bereits mehrere Romane veröffentlicht haben, einige davon preisgekrönt. Team Helsinki – Grausames Spiel ist der zweite Band eines auf mehrere Teile angelegten Plots, dessen Handlungsstränge sich raffiniert und sorgfältig bedacht durch die beiden bisherigen Bände ziehen, wobei für den jeweils hauptsächlichen Ermittlungsfall jeder Band für sich alleine gelesen werden kann. Auch wenn relativ schnell klar ist, dass der Täter im inneren Zirkel des Otto Paljakka zu finden sein muss, bleiben immer noch die Fragen "Wer?" und "Warum?" Mit dem letztlich plausiblen Motiv ergibt sich auch die Verbindung zum einleitenden, im Himalaya spielenden Prolog. Ebenso spannend ist und bleibt die Entwicklung der ermittelnden Personen und deren Lebensgeschichten. Im vorliegenden Buch rückt vor allem Paulas Leben in den Mittelpunkt. Mithilfe von Briefen an ihren Sohn, den sie nach der Geburt zur Adoption freigegeben hatte, wird Paulas Vergangenheit mehr und mehr offenbart. Dass ihr Sohn im Gefängnis sitzt – unschuldig oder nicht? –, wurde schon am Ende von Team Helsinki – Die Tote im Container klar, eine Situation, die genügend Potential für zukünftige Bände bietet. Auch das Verhältnis der Ermittler untereinander birgt für Spannung, zwischen Karhu und Renko entwickeln sich allmählich kleine Eifersüchteleien, beide sind jung und wollen sich beweisen.
Die im Stile des Nordic Noir verfassten Krimis der Ollikainens schreiten in gemütlichem Tempo voran, steigern aber von Kapitel zu Kapitel die Spannung. Sie bestechen nicht durch rasante Entwicklungen und brutale Szenen, vielmehr sind gut konzipierte Handlungsstränge, scharfsinnige Dialoge und nachdenkliche Töne das Salz in der Suppe. Wer diese Nordic Noir-Krimis mit gesellschaftskritischem Anspruch mag – hier werden Missbrauch und das Leben mit Schuld thematisiert –, ist mit diesem zweiten Band der "Team Helsinki"-Reihe bestens bedient. Absolut überzeugend!