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Minna Lindgren : Spätsommer ist auch noch Sommer

Buchbesprechung von Birgit Arnold, September 2020

dt. Erstausgabe: 2020 - Kiepenheuer & Witsch, Köln
finn. Originalausgabe: 2018 - Teos, Helsinki
Titel der finnischsprachigen Originalausgabe: "Vihainen leski"
aus dem Finnischen von Elina Kritzokat
In letzter Zeit sind gehäuft Bücher erschienen, die sich auf amüsante Art mit dem Älterwerden befassen, so zum Beispiel von der Autorin Virginia Ironside die Tagebücher der Marie Sharp oder von Minna Lindgren eine Trilogie über drei äußerst agile Witwen in der Seniorenresidenz 'Abendhain', mit der sie hierzulande bekannt wurde. Auch mit dem hier vorliegenden neuen Werk widmet sich Lindgren wieder auf humorvolle Weise der Lebensphase im Alter. Drei Damen Mitte siebzig wollen sowohl das Leben als auch die Männer nochmal in vollen Zügen genießen, schließlich kennt die Liebe keine Altersgrenzen. Die pensionierte Zahnärztin und Hauptprotagonistin Ulla ist seit kurzer Zeit Witwe, nachdem ihr Mann Olli nach zwölf langen Jahren intensiver Pflege "endlich" gestorben ist. Pflichtbewusst stand sie ihrem ungeliebten Ehemann, ein dem Alkohol sehr zugetanen Stinkstiefel und Eigenbrötler, zur Seite; die Trauer hält sich jedenfalls in Grenzen. Nach seinem Tod könnte sie endlich der sozialen Isolation entfliehen, doch bei der Durchsicht alter Geburtstags- und Adresslisten stellt sie fest, dass viele von denen, die auf den Listen stehen, entweder nicht mehr leben oder demenzbedingt nichts mehr mit ihr anfangen können. Das Leben ist quasi in den letzten Jahren an ihr vorbeigezogen, ihr egoistischer und meist betrunkener Ehemann sowie die beiden ebenso egoistischen Kinder machten ein eigenes selbstbestimmtes Leben nahezu unmöglich. Der Besuch beim Friseur gibt ihr einen ersten Schwung, das Leben neu zu organisieren und unnötigen Ballast abzuwerfen. Glücklicherweise kann sie mit Pike und Hellu zwei alte Freundinnen ausfindig machen. Obwohl sich die drei Frauen jahrelang nicht gesehen haben und unterschiedlicher nicht sein können, wird Ulla freudig in den Kreis aufgenommen. Pike ist auf der Suche nach jemandem, mit dem sie ihren Lebensabend gemeinsam teilen kann, Hellu ist abenteuerlustig und experimentierfreudig. Gemeinsam besuchen sie Tanz- und Sprachkurse, lernen Männer kennen und haben einfach Spaß. Dennoch zeigen sich einige Risse an der Fassade des neuen Glücks. Da wären zum einen Ullas "besorgte" und geldgierige Kinder, die am liebsten eine Vormundschaftserklärung für ihre Mutter und das Eigentum auf sich übertragen hätten, zudem solle das "geliebte Mamilein" doch besser in ein betreutes Wohnen ziehen. Ulla entlarvt die intriganten Spielchen und lässt sich nicht einschüchtern, auch ihre Freunde stehen ihr mit Rat und Tat zur Seite. Hellus Krebserkrankung und deren rascher Tod trüben die Aufbruchstimmung. Ulla war ist den letzten Stunden an Hellus Seite, zusammen mit dem zugelaufen Kater Fjodor, der Hellu friedlich in den Tod schnurrt. Als auch noch Fjodor stirbt, bricht ihr neugewonnenes Selbstbewusstsein wie ein Kartenhaus zusammen. Nun ist sie wieder alleine, Hellu und Fjodor sind tot, Pike hat sich verliebt und genießt ihr neues Glück, die Kinder gönnen ihr die Freiheit nicht. Ulla verkriecht sich zu Hause, sortiert Fotos und kümmert sich endlich um einen geeigneten Grabstein für Olli. So trifft sie erneut auf den Steinmetz Kari, den sie bereits beim Tanzen kennengelernt hatte. War die Suche nach dem Grabstein am Ende ein Wink des Schicksals?...
Mit Spätsommer ist auch noch Sommer ist Minna Lindgren ein humorvolles und warmherziges Plädoyer gelungen, auch im vermeintlichen Herbst des Lebens jeden Tag bewusst zu genießen, auch gegen jegliche stereotype Vorstellungen der Gesellschaft über ältere Menschen. Sie hält dem Leser den Spiegel vor und lässt ihn darüber nachdenken, wie man selber seinen Lebensabend verbringen möchte. Denn es kann immer noch besser werden. Oder wie es Udo Jürgens einst sang: "Mit sechsundsechzig Jahren, da fängt das Leben an, mit sechsundsechzig Jahren, da hat man Spaß daran, mit sechsundsechzig Jahren, da kommt man erst in Schuss, mit sechsundsechzig ist noch lange nicht Schluss."
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