Marjaleena Lembcke : Der Mann auf dem roten Felsen
Buchbesprechung von Birgit Arnold, August 2008
dt. Erstausgabe: 2008 - Nagel & Kimche im Carl Hanser Verlag, München
Der vierzehnjährige Mika hat Probleme satt: Zum einen leidet er unter seiner unglücklichen Schwärmerei zu Kati, die mit seinem Freund Björn zusammen ist. Zum anderen hat Mika einen Hang, sich regelmäßig unheilbare Krankheiten einzureden. Nachts begegnet er sich in seinen Träumen als strahlender Held, der alle Probleme mühelos aus dem Weg räumen kann. Mit seinen Eltern redet er nicht darüber. Sein Vater, ein ehemaliger Philosophielehrer, verschanzt sich die halbe Zeit in seinem Arbeitszimmer. Seit Jahren schreibt er an seinem Buch, ohne dass man in der Familie so recht von dessen Inhalt weiß. Jeden Morgen legt er für Mika ein Worträtsel und für seine Schwester Lina Gedichtzeilen auf den Frühstückstisch. Die Mutter, eine Psychologin, redet meist nur über ihre eigenen Probleme. Bleibt nur Lina, seine Zwillingsschwester. Als einzige Verbündete innerhalb der Familie reden sie viel miteinander. Beide Kinder fragen ihre Eltern nicht mehr nach Informationen, die sie z.B. für die Schule benötigen. Mika surft lieber direkt im Internet oder fragt seine Freunde. Oft genug muss Mika feststellen, dass auch seine Freunde mit den eigenen Problemen vollauf beschäftigt sind. Tagtäglich begegnet den Kindern die Drogen- und Obdachlosenszene, deren Treffpunkt die Felsen gegenüber der Wohnhäuser sind. Eines Tages beobachtet Mika einen unbekannten Mann, der ihn mit einem Fernglas von den roten Felsen aus beobachtet. Was will der Mann von ihm? Mika macht sich große Sorgen, als Lina den Wohnungsschlüssel verliert und das Manuskript des Vaters spurlos verschwindet. Zusammen mit seinen Freunden beschließt Mika, dem Geheimnis des unbekannten Mannes auf die Spur zu kommen...
In diesem Buch werden mehrere unterschiedliche Themen scheinbar mühelos behandelt: Die schwierigen Fahrwasser der Pubertät, die Schwächen von Erwachsenen, Sprachlosigkeit innerhalb der Familie und der Tod als Teil des Lebens. Die Ereignisse vom 11. September 2001 in den USA fließen ebenso leicht und für Kinder verständlich in die Handlung mit ein. Solch eine Verflechtung findet man bei deutschen Kinder- und Jugendbuchautoren sehr selten. Hierzulande werden schwierige Themen in diesem Genre eher vermieden. Aber Marjaleena Lembcke, die seit 1967 in Deutschland lebt, geht ähnlich wie viele ihrer skandinavischen Kollegen offen damit um. Auch essentielle Dinge des Lebens können Kindern und Jugendlichen durch eine einfache Sprache vermittelt werden. Der Mann auf dem roten Felsen ist ein vielschichtiges und spannend zu lesendes Buch. Ob sich Kinder allerdings wirklich in die manchmal verschlungene Gedankenwelt von Mika hineinversetzen können, bleibt offen. Trotzdem oder gerade deshalb lesenswert! Ähnliche Wortspiele wie Mika darf der Leser an jedem Kapitelanfang lösen. Die Lösungen dazu befinden sich auf der letzten Seite. Ab elf Jahre.