Leena Lehtolainen : Du dachtest, du hättest vergessen
Buchbesprechung von Ulrich Kirsch, September 2008
dt. Erstausgabe: 2007 - Kindler innerhalb der Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
finn. Originalausgabe: 2002 - Tammi, Helsinki
Titel der finnischsprachigen Originalausgabe: "Kun luulit unohtaneesi"
aus dem Finnischen von Gabriele Schrey-Vasara
Bei der Auflösung des Haushaltes ihrer verstorbenen Großmutter in Nordsavo nimmt Katja das Foto sowie die in Wehrdienst und Gefängnis geschriebenen Briefe ihres Onkels Rane mit. Dieser hatte vor 25 Jahren ihren Großvater im Streit erschlagen und später in der Haft Selbstmord begangen. Aber was ist damals wirklich geschehen? Die Frage ist Anlass für die Protagonistin - Musikstudentin, Ende zwanzig und unglücklich, die gerade eine Bulimie überstanden, aber immer noch ein Alkoholproblem hat -, in ihrer mittlerweile in Südfinnland lebenden Familie Nachforschungen zu beginnen.
Dieses Suchen und dessen Ergebnis stellt Leena Lehtolainen in ihrem Buch Du dachtest, du hättest vergessen dar: Keine Ermittlungen, keine Polizeiarbeit, sondern letztlich die Aufarbeitung der Verletztheiten einer Jugendlichen und jungen Erwachsenen, eingebettet in Beschreibungen der Versuche, Ängste und Anforderungen des täglichen Lebens im Hinblick auf Familie, Studium, Musik und Liebe zu meistern. Interessant ist die Art und Weise der Darstellung: Neben der Hauptfigur Katja schreiben im Wechsel ihre Mutter Sirkka, ihr Bruder Kaitsu, ihre Tante Sara und ihr anderer Onkel Veikko als Ich-Erzähler in den einzelnen Kapiteln. Dabei sind die Charaktere gut herausgearbeitet, weshalb die unterschiedlichen Bewertungen desselben Sachverhaltes aus den verschiedenen Sichtweisen überzeugen. Inhaltlich bleiben Zweifel; es scheint, als ob die Autorin selbst der Tragfähigkeit ihrer Geschichte nicht ganz traute. Viel stieß den Mitgliedern dieser Familie im Laufe der Jahre zu, viel zu viel ist es, was in der Jetztzeit auf die Familie und insbesondere auf Katja zukommt. Und wenn zum Schluss fast alle ihr Glück finden, drängt sich der Eindruck auf, eine furchtbare Schmonzette gelesen zu haben. Aber ach, manchmal ist das doch auch schön.