Tuomas Kyrö : Der Grantige
Buchbesprechung von Bettina Dauch, November 2017
dt. Erstausgabe: 2017 - List innerhalb der Ullstein Buchverlage, Berlin
finn. Originalausgabe: 2010 - Werner Söderström Osakeyhtiö, Helsinki
Titel der finnischsprachigen Originalausgabe: "Mielensäpahoittaja"
aus dem Finnischen von Stefan Moster
Der Grantige ist ein Mann von über 80, der in 40 kurzen Erzählungen nach und nach erläutert, was ihn am modernen Lebenswandel so alles grantig macht - und was dann eventuell doch nicht. Für den betagten Mann waren die alten Zeiten immer noch die besten und er will um nichts in der Welt einsehen, dass und warum überhaupt er sich den modernen Gepflogenheiten beugen sollte. Seine Frau lebt als Pflegefall im Heim und einer seiner Söhne möchte den alten Vater am liebsten auch nicht mehr allein im Eigenheim wohnen lassen. Die Augen lassen nach und Hüfte, Gelenke und Adern sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Der Arzt will ihm den Speiseplan verhunzen und den Führerschein nicht verlängern. Doch der Grantige hat irgendwann festgestellt, dass die Gesundheit vor allem dadurch leidet, dass man sich zu wenig beschwert und zuviel Ärger in sich hineinfrisst. Seitdem lässt er alles raus, was ihm nicht in den Kram passt. Und bei einem Mann seiner Generation kommt da in der heutigen Zeit so Einiges zusammen. Öffentliches Stillen von Säuglingen, ausländische Kaufartikel, fettreduzierte Lebensmittel, elektronische Geräte, Fertigprodukte, Verschwendung, Bequemlichkeit, Selbstverwirklichung... Mit all dem und noch mehr räumt der Alte gründlich auf und preist den Lebensstil und die Werte seiner eigenen jungen Jahre. Wiederholt nennt er Geschehnisse von vor 30 bis 50 Jahren als positive Beispiele. Doch bei all seiner Sturheit und unnachgiebigen Verteidigung vorsintflutlicher Gepflogenheiten verfügt der alte Mann gleichwohl über einen nach wie vor vitalen und scharfsinnigen bis spitzfindigen Geist, der ihn davor bewahrt, sich im Dschungel der modernen Gefahren und Verlockungen zu verlieren. So schnell lässt er sich jedenfalls nicht unterkriegen!
Die Lektüre der kurzen Geschichtchen von jeweils etwa drei Seiten geht runter wie Butter (also richtige, keine Als-ob-Butter, wie der Grantige Margarine nennt). Die Nörgeleien des Alten nerven und entzücken zugleich. Und hat er nicht hin und wieder doch irgendwie Recht? Der Grantige ist für Finnland-Freunde ein Muss, aber auch für andere Leser über oder unter 80 absolut zu empfehlen.