J. K. Johansson : Noras zweites Gesicht
('Palokaski'-Trilogie, Bd. 2)
Buchbesprechung von Frank Rehag, Oktober 2015
dt. Erstausgabe: 2015 - Suhrkamp Verlag, Berlin
finn. Originalausgabe: 2013 - Tammi Publishers, Helsinki
Titel der finnischsprachigen Originalausgabe: "Noora"
aus dem Finnischen von Elina Kritzokat
Nachdem die vermisste 16-jährige Schülerin Laura Anderson tot aufgefunden wurde, geht die Polizei nach Beendigung der Autopsie von einem tragischen Unfall aus. Sie sei bei einem Spaziergang am Meer von einem der hohen Felsen gestürzt und im Wasser ihren schweren Verletzungen erlegen, Spuren eines Verbrechens lägen nicht vor und die polizeilichen Untersuchungen seien damit abgeschlossen. Der Tatsache, dass das Mädchen einen auffälligen Hormonspiegel und äußerst hohe Östrogenwerte aufwies, wird keine weitere Beachtung geschenkt. Im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten Sundsberg ist Kommissar Korhonen allerdings der Meinung, die Ermittlungen zu diesem Fall noch nicht abzuschließen. Auch Miia Pohjavirta bekommt mehr und mehr das Gefühl, dass Korhonen Recht haben könnte und Laura nicht durch einen tragischen Unfall gestorben ist. Ebenso Saska Korhonen, der 17-jährige Enkelsohn des Kommissars. Er hat Ambitionen, eine Ausbildung bei der Polizei zu machen und bereits jetzt diskutiert Saska im Internet in einem Kriminalforum für Laien mit. Zwar kannte er Laura kaum, hatte aber gehört, dass der Personal Trainer in seinem Fitnessstudio, Miias fragwürdige Männerbekanntschaft Antti, behauptet hatte, Laura würde jemanden mit einer großen Summe Geld erpressen. In seinem jugendlichen Leichtsinn ist er der Meinung, seinem Opa vielleicht wichtige und entscheidende Informationen zuspielen zu können und begibt sich damit in große Gefahr. - Auch Nora, eine Mitschülerin Lauras, will beobachtet haben, dass diese nicht einfach so vom Felsen stürzte, sondern gestoßen wurde. Nun hat sie Angst, als nächste dran zu sein. Allerdings glaubt ihr niemand so recht, sie fühlt sich als Außenseiterin, unbeachtet und nicht gemocht. Kurzerhand entschließt sie sich, im Internet einen Blog unter dem Pseudonym Madde zu führen. Der Erfolg lässt tatsächlich nicht lange auf sich warten, sie erhält Freundschaftsanfragen und viele folgen ihr in der virtuellen Welt, endlich ist sie beliebt wie einst Laura. Schnell gilt das 'coole Mädchen' als Stilikone in Sachen Lifestyle und Mode, sogar Firmen melden sich und fragen nach einer Zusammenarbeit, so auch die dubiose Geschäftsfrau Tiina Ojantaus, die scheinbar irgendeine Verbindung zu Antti hat. Mit zunehmenden Erfolg wird es für Nora immer komplizierter, die Parallelwelt als Madde aufrecht zu erhalten und ausgerechnet Tiina Ojantaus' Sohn Lauri erkennt, wer Madde wirklich ist. Allerdings gilt dieser ebenso als Außenseiter wie Nora und die beiden verstehen sich auf Anhieb blendend, so dass er niemandem von Maddes wahrer Identität erzählt. Für Nora ist es allerdings schwierig, in der Anonymität des Internets die wahren Absichten ihrer sogenannten "Freunde" zu erkennen, womit sie ein gefährliches Risiko eingeht. Diese Leichtfertigkeit scheint ihr zum Verhängnis zu werden, denn Nora - und damit auch Madde - ist plötzlich verschwunden.
Trotz der Erscheinungspause zwischen dem ersten und diesem Band ist man schnell wieder in der Geschichte drin, dennoch gibt es zum besseren Verständnis in den ersten Kapiteln zu einzelnen Protagonisten und vergangenen Ereignissen kurz zusammengefasste Rückblenden. Damit wäre der Leser zwar durchaus in der Lage, auch mit diesem Band in die Gesamtgeschichte reinzukommen, trotzdem empfiehlt sich wegen des besseren Überblicks über die Zusammenhänge das Lesen des ersten Teils. Wie schon Lauras letzte Party lässt sich auch diese Fortsetzung der Palokaski-Trilogie sehr gut und flüssig lesen. Die Spannung ist von Beginn an da und baut sich bis zum Ende, das zwar ziemlich abrupt aber auch spektakulär ist, weiter auf und gerne könnte der dritte Band zum Weiterlesen direkt parat liegen. Viele Fragen sind noch ungeklärt und es ist Geduld gefragt bis zum Erscheinen des dritten und letzten Teils. Dann wird sich zeigen, ob die Vermutungen, die während der Lektüre bis hierhin aufgestellt wurden, richtig sind. Es bleibt spannend.