Tuuve Aro : Karmiina K.: Ich bin okay
Buchbesprechung von Frank Rehag, Mai 2009
dt. Erstausgabe: 2008 - Kookbooks, Idstein
finn. Originalausgabe: 2004 - WSOY, Helsinki
Titel der finnischsprachigen Originalausgabe: "Karmiina"
aus dem Finnischen von Elina Kritzokat
Karmiina erschlägt den Tischlermeister Keränen, ihren Ziehvater, mit einem Ziegelstein, und auch den zufällig vorbeikommenden Polizeihauptwachtmeister Mielonen schlägt sie bewusstlos. Endlich ist sie frei, einen Tag vor ihrem siebzehnten Geburtstag. Als Babies wurden Karmiina und ihre Zwillingsschwester gleich nach der Geburt von der Mutter in einen Brunnen geworfen. Die Schwester prallte zuerst auf dem Eis auf und starb. Karmiina fiel auf sie drauf, erlitt mehrere Arm- und Beinbrüche und das Eis schnitt eine tiefe Wunde in ihre rechte Wange. So wurde es ihr erzählt. Die Mutter starb vor Trauer und Keränen nahm das entstellte Kind, dessen rechte Körperhälfte seit dem Brunnenfall vollkommen verkrüppelt ist, gegen Bezahlung bei sich auf. Geld für Ärzte und notwendige Operationen fehlte. In Keränens Augen war sie ein Monster, das nicht unter Menschen kommen durfte, so dass er sie in einem Kellerloch unter der Sauna einsperrte und missbrauchte. Doch nun ist ihr Peiniger tot und sie frei. Karmiina zieht sich Mielonens Kleidung über und macht sich auf in die Welt, um diese zu erkunden. Mit ihrem kleinen Wissenshorizont, den sie aus Zeitungen oder Gesprächen, die sie belauschte, hat, bringt die Freiheit für Karmiina viele Unbe-kannte mit sich. Sie lernt die an den Rollstuhl gefesselte Maisa kennen, sie geht auf eine Party, auf der sie ob ihrer seltsamen Tanzbewegungen und der Kleidung als neue Stilikone gefeiert wird. Sie lernt Mitglieder der 'Grünen Gefahr' kennen, eine globalisierungskritische Gruppe, die einen Demonstrationszug zum Parlament plant und der sie und Maisa sich anschließen. Beim Sturm auf das Parlament steht Karmiina plötzlich vor einer Frau, die aussieht wie sie, nur ohne Makel: Ihre Zwillingsschwester...
Eingesperrte und missbrauchte Kinder, ein ernstes Thema, das in letzter Zeit häufiger in den Medien vorkam. Doch durch die humorvolle Phantasie der Autorin liegt hier ein Buch mit viel Witz und Leichtigkeit vor. Karmiina ist kein gebrochener Mensch, sondern eine Heldin, die mit kindlicher Naivität das Leben in der Freiheit meistert. Trotz ihrer traurigen Kindheit wirkt sie glücklich - sie macht sich keine Gedanken über "Was wäre, wenn...?" Geschickt schafft es Tuuve Aro, die Kapitel, die aus verschiedenen Perspektiven der einzelnen Protagonisten (Karmiina, Mielonen, Maisa) erzählt sind, wie filmische Szenen zusammenzusetzen und Spannung zu erzeugen, was sicher auch ihrem Film- und Fernsehwissenschaftsstudium geschuldet ist. Von dieser leicht erzählten Geschichte, die für die deutsche Fassung sowohl von der Autorin als auch von der Übersetzerin Elina Kritzokat gekürzt und redigiert wurde, hätte es ruhig mehr sein dürfen. Dieses Buch ist nicht zuletzt aufgrund der Aufmachung im Schuber außergewöhnlich.