
Niilo Aikio : Nigá - Abenteuer eines kleinen Sámi-Jungen
('Nigá'-Reihe, Bd. 1)
Buchbesprechung von Bettina Dauch, Januar 2025
dt. Erstausgabe: 2022 - Heiner Labonde Verlag, Grevenbroich
finn. Originalausgabe: 2015 - NEMA, Utsjoki
Titel der finnischsprachigen Originalausgabe: "Nigá - Novellikokoelma"
aus dem Finnischen von Hannele Kara
illustriert von Marketta Nilsen
Die vorliegende Sammlung von 25 Kurzgeschichten erzählt aus dem Leben des jungen Nigá, der – wie der Autor damals selbst – in den 1940er- und 1950er-Jahren in der kleinen Siedlung Buolbmátjávri am gleichnamigen See im äußersten nordöstlichen Zipfel Finnlands aufwächst. Die Geschichten, die in der dritten Person aus der Sicht des Jungen geschrieben sind, schildern allerhand Details aus dessen Alltagsleben. Nigá muss einiges lernen, wenn er später mal wie Vater Jovnna und Mutter Elle vom Fischen, Jagen und der Viehzucht leben will. Bisher bringt er es oft nicht übers Herz, die Beutetiere auch selbst zu töten, sondern lässt sich leicht dazu hinreißen, auch mal ein Schneehuhn, einen Hasen oder gar einen Hecht entkommen zu lassen. Dabei ist der Fischfang der wichtigste Erwerbszweig der Gegend, direkt am See und unweit des großen Grenzflusses Deatnu gelegen. Nigá fängt Saiblinge, Bachforellen und Lachse. Die Arbeitsabläufe werden anschaulich beschrieben, und diversen Missgeschicken zum Trotz lernt der Junge allmählich sein Handwerk. Beim Netzfischen erfährt er auch endlich, was "Maränen drehen" bedeutet. Nicht ohne Humor erzählt der Autor auch von anderen Verwandten und Bekannten aus der Siedlung, sowie von den zahlreichen Haus- und Wildtieren.
Etwas ungewohnt ist die Tatsache, dass der Junge in der deutschen Version seine Eltern zwar mit Mutti und Vati anspricht, andere Verwandte jedoch meist mit dem (nord)samischen Namen benannt werden, so zum Beispiel Áddjá, Nigás Opa, der eine große Rentierherde besitzt. Ferner werden alle Ortsnamen, sowohl auf finnischer als auch auf norwegischer Seite, prinzipiell auf Samisch genannt. Dadurch wird zu Recht die Bedeutung der samischsprachigen Urbevölkerung der Region hervorgehoben. Da jedoch die wenigsten deutsch- oder auch finnischsprachigen Leser der samischen Sprache so weit mächtig sind, dass ihnen Namen wie Čáhcesuolu (Vadsø), Deatnu (Teno/Tana), Buolbmát (Polmak) oder Buolbmátjávri (Pulmankijärvi) geläufig sind, hat der Autor am Anfang des Buches eine Liste mit den finnischen Entsprechungen aller Ortsnamen (auch der norwegischen) zusammengestellt. Daneben gibt es einen farbigen Kartenausschnitt, in dem die wichtigsten Ortschaften der Region eingezeichnet sind. Darunter folgen ein paar Zeilen mit Hintergrundinformationen zur Evakuierungszeit im samischen Gebiet, der auch eine der Erzählungen gewidmet ist. Interessant ist auch, dass die ursprüngliche naturnahe Kultur und Mentalität des Urvolks in den Erzählungen zwischen den Zeilen durchklingt, wie in der wohlwollenden und anti-autoritären Erziehung des eigentlich etwas wilden Jungen. Die Abwesenheit jeglicher patriarchalen Struktur im Umgang miteinander vermittelt ein angenehmes Gefühl der Ebenbürtigkeit und Menschenfreundlichkeit.
Wie die meisten Sámi ist auch der Autor Niilo Aikio (Jávrri-Juhán Niillas) zweisprachig aufgewachsen und hat daher nach der samischen auch die finnische Version dieses Erzählbands selbst geschrieben. Aus dem Finnischen hat die Übersetzerin Hannele Kara die Texte im leicht kindlich-naiv gehaltenen Stil überzeugend ins Deutsche übertragen. Die hübschen Farbzeichnungen, von denen die nordfinnische Künstlerin Marketta Nilsen je eine pro Erzählabschnitt angefertigt hat, fügen sich harmonisch in die Geschichten ein. Mittlerweile ist eine Fortsetzung namens Nigá 2 - Ein Sámi-Junge wird erwachsen erschienen.
Weitere besprochene Titel zu Niilo Aikio:
- Nigá 2 - Ein Sámi-Junge wird erwachsen ('Nigá'-Reihe Bd. 2)