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Kjell Westö : Geh nicht einsam in die Nacht

Buchbesprechung von Annemarie Leibenguth, Februar 2011
(basierend auf dem Originaltitel Gå inte ensam ut i natten aus dem Jahr 2009)

dt. Erstausgabe: 2013 - btb Verlag in der Verlagsgruppe Random House, München
schw. / finn. Originalausgabe: 2009 - Albert Bonniers, Stockholm / Söderströms, Helsinki
Titel der finnlandschwedischsprachigen Originalausgabe: "Gå inte ensam ut i natten"
aus dem Finnlandschwedischen von Paul Berf
Nimm deine Freunde mit oder deine Familie! So könnte es als ergänzendes Motto über diesem Roman von Kjell Westö stehen. Erzählt werden zum einen die Geschichte von Jouni, Ariel und Adriana und zum anderen die von Pete, Frank und Eva. Die Blumenkindergeneration des ersten Dreiergespanns versucht sich kurz nach dem Abitur als Gesangstrio und hat das Potential, mit Ariels Song "Älä käy yöhön yksin" einen Hit zu landen. Ohne nachvollziehbaren Grund passiert das nicht und die drei Freunde driften auseinander: Jouni in den Journalismus und die Politik; Adriana in eine Model-Karriere und Depressionen; Ariel in seine Musik und andere Drogen. Knapp 20 Jahre später beginnt Frank, ebenfalls um die Abiturzeit herum, sich mit den Dreien zu beschäftigen. Erst im letzten Drittel des Romans wird klar, warum er diese Geschichte aufschreibt. - Der offensichtlichste Berührungspunkt der beiden Dreiergruppen sind Adriana und ihre 13 Jahre jüngere Schwester Eva, die beide als oft unerreichbare Geliebte sowohl verbindendes als auch trennendes Element zwischen den Männern sind. Pete und Frank folgen Jounis Fußstapfen in den Journalismus, der als kalt und berechnend verrufene Jouni wird sogar zu Franks Mentor in schwierigen Zeiten und erweist sich auch sonst als ungewöhnlicher Freund. Pete versucht, Frank in seine musikalischen Aktivitäten einzubeziehen, scheitert allerdings an Franks einseitiger Wortbegabung, die wiederum Ariels einseitiger Gitarrenbegabung ähnelt. Pete und Jouni sind die Entscheidungsfreudigen und -fähigen. Frank und Ariel lassen sich ziehen, aber auch gehen. Eva und Adriana haben sehr ähnliche Ausgangsbedingungen, meistern ihr Leben aber auf verschiedene Art und mit sehr unterschiedlichem Ausgang. So ähnlich sich die beiden Dreier-Geschichten entwickeln könnten, so differenziert bleiben die Charaktere, was zu einem plausiblen und auch überraschenden Ende führt.
Wie schon in den drei früheren Helsinki-Romanen (Drakarna över Helsingfors (1996), Vom Risiko, ein Skrake zu sein (2000/2005) und Wo wir einst gingen (2006/2008)) schafft Westö in Gå inte ensam ut i natten ein Gesellschaftsporträt, das von den 1960ern über die wirtschaftliche Krise der 1990er bis ins neue Jahrtausend reicht. Bekannte Gesichter der anderen Romane streifen die Geschichte am Rande (z.B. sind Adriana und Eva mit der Familie Lilljehelm aus Wo wir einst gingen verwandt). Zu Musik(-hören) und Politik als Fadenlieferanten für das Geschichtengewebe kommt diesmal das aktive Musikmachen und das Schreiben hinzu, was sich gut macht als Gegenpol zu den langen introspektiven und eher von der Passivität der Figuren geprägten Passagen. Bleibt zu hoffen, dass sich bald ein Verlag findet, der uns sowohl Drakarna över Helsingfors als auch Gå inte ensam ut i natten in deutscher Übersetzung zugänglich macht.
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