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Olli Jalonen : Die Kunst, unter Wasser zu leben

Buchbesprechung von Saskia Geisler, März 2023

dt. Erstausgabe: 2023 - mare Verlag, Hamburg
finn. Originalausgabe: 2019 - Otava Publishing Company Ltd., Helsinki
Titel der finnischsprachigen Originalausgabe: "Merenpeitto"
aus dem Finnischen von Stefan Moster
Wie fühlt es sich an, fremd zu sein, seinen Platz zu suchen? Wie ist es, ständig an neue gesellschaftliche Grenzen zu stoßen, nie ganz richtig zu sein? In Die Kunst, unter Wasser zu leben begegnen wir Angus, der Lesenden schon aus Jalonens Die Himmelskugel bekannt sein könnte. Der Roman lässt sich jedoch auch ohne Lektüre des ersten Bandes verstehen.
Ende des 17. Jahrhunderts lebt Angus als "Mädchen für alles" im Haushalt des Wissenschaftlers Edmond Halley in London. Eigentlich von St. Helena stammend hat Angus hier ein Obdach gefunden und unterstützt den Forscher bei seiner Arbeit, wo er nur kann. Dass Halley ihm weder Lohn zahlt, noch allzu viel Rücksicht auf seine Wünsche und Sehnsüchte nimmt, stört ihn dabei wenig. Dass Halley im Gegenteil Angus' Gutmütigkeit schamlos ausnutzt und ihn immer wieder für gefährliche Experimente einsetzt, überrascht ihn auch nicht – im Gegenteil, Angus fühlt sich geehrt. Als Ich-Erzähler führt er uns aus seiner Perspektive durch die Welt, in der er verzweifelt einen Platz sucht und bereit ist, für die Anerkennung Halleys immer wieder über seine Grenzen zu gehen. Wie authentisch es Jalonen gelingt, ein Bild der Zeit zu zeichnen, ist nicht zuletzt daran zu erkennen, dass Angus nur begrenzt aufbegehrt und wenig für sich erwartet: Sein Platz ist ihm klar, seine Sehnsüchte können nur erfüllt werden, wenn ihm jemand etwas gewährt, nicht wenn er es sich nimmt. Das einzige Mal, als Angus sich einfach nehmen will, was er möchte – nämlich das Dienstmädchen Henrietta –, muss er dafür einen hohen Preis zahlen.
Wie schon in Die Himmelskugel liefert Jalonen einen Bildungsroman, der die Faszination für den Zuwachs menschlichen Wissens, für die Erforschung der Welt und die Entdeckung ihrer Gesetze greifbar macht. Vermessungen, Beobachtungen, die Erfindung der Tauchglocke – der neu zu entdeckende Wissensschatz für Halley und seinen Gehilfen ist immens. Doch einen Unterschied zum Vorgängerband gibt es: Angus ist älter. Er versteht die Vorgänge um sich herum besser und auch wenn er insgesamt in einer unterwürfigen, duldsamen Haltung bleibt, wird das Stoßen an die gesellschaftlichen Hierarchien noch deutlicher spürbar. Warum erhält er keinen Lohn? Warum darf er nicht die Schule besuchen? Warum kann Halley ihn einfach so auf Tauchfahrt schicken, sein Leben riskieren und am Ende allen Ruhm für sich einheimsen? Für Die Himmelskugel gewann Jalonen 2021 Finnlands wichtigsten Literaturpreis, Finlandia, womit er einer von zwei Menschen ist, die diesen Preis bereits zwei Mal erhielten. Aus unterschiedlichen Gründen muss ich sagen, dass ich Die Kunst, unter Wasser zu leben besser fand als Die Himmelskugel. Sprache und Rhythmus sind wieder sehr schön von Stefan Moster umgesetzt, für mich entscheidend ist aber, dass Angus durch sein fortgeschritteneres Alter (wir begleiten ihn tief in seine 20er Jahre hinein) mehr charakterliche Tiefe bekommt. Es sind nicht mehr nur noch die Abgründe der anderen, die wir hier ausloten, sondern auch die Untiefen der Seele unseres Erzählers.

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